M+M
No Pitstop

VERNISSAGE
am 16.09.2020 ab 18 Uhr

AUSSTELLUNG
16.09. - 28.10.2020

Geöffnet Mittwochs 15:30 – 17:30 Uhr

Die Autobahnschleife zu Gast im Metropol Kunstraum München

16. September bis 28. Oktober 2020 in der Georgenstraße 42, 80799 München

jeweils mittwochs von 15.30-17.30 Uhr

Eröffnung: Mittwoch, 16. September 2020 um 18 Uhr (auf 50 begrenzte Besucherzahl)
Einführung: Walter Röhrl

Diskussion: Mittwoch, 7. Oktober, um 18 Uhr (auf 50 begrenzte Besucherzahl)
Referent*innen: Dr. Franziska Stöhr, Prof. Dr. Benedikt Boucsein, M+M (Marc Weis und Martin De Mattia)

„No Pitstop" präsentiert neue Schritte der „Autobahnschleife" auf dem Weg zu ihrer Realisierung. Die Schleife bietet der Autofahrer*in die Möglichkeit, an einem ausgesuchten Abschnitt einer Hochautobahn von dieser abzufahren, eine 360-Grad-Kurve zu beschreiben, um danach wieder auf die Schnellstraße zurückzukehren. Das Vorhaben wird in enger Zusammenarbeit mit einem Münchener Ingenieurbüro kontinuierlich weiterentwickelt.

Anhand des Projektes können Transformationen von Verkehrswegen als Teil des öffentlichen Raums veranschaulicht werden. Wie gewinnt man die Entscheidungsträger, Ingenieure, Funktionäre oder Geldgeber, um gemeinsam neue Freiräume im Straßennetz zu erschließen?

In der jüngst deutlich zugespitzten Diskussion im Themenfeld Mobilität,
Verkehrsinfrastrukturen und deren Konsequenzen für Mensch und Umwelt
soll „No Pitstop" als gleichermaßen utopisch wie dystopisch anmutendes Vorhaben Anlass zu einer Auseinandersetzung über partizipatorische Projekte im Straßenverkehr geben.

Die tradierten Aufgaben der Kunst im öffentlichen Raum werden durch den urbanen Wandel und die Entwicklung hin zu einer mobilen, weitreichend vernetzten Gesellschaft in Frage gestellt. Prominente Stadtplätze und bedeutende Gebäude als ehemals bevorzugte Orte für künstlerische Aufträge, bzw. Interventionen scheinen ihre Bedeutung für das öffentliche Leben zunehmend zu verlieren und an Netzwerke des Transports und der Information abzutreten. Man verweilt nicht mehr, sondern bleibt in ständiger Bewegung. Folglich verändern sich die thematischen Schwerpunkte und formalen Lösungen für Arbeiten im öffentlichen Raum. Der schnelle Blick, der interaktive Mechanismus, der prozessuale Charakter, Zerstreutheit und Zerstreuung sind Schlagworte, die diese Tendenzen beschreiben.

Aktuell haben sich diese Überlegungen nach Verlangsamung und Reflexion unserer Beschleunigungs- und Effizienzkultur durch coronabedingte Einschränkungen auf eigentümliche Weise aktualisiert. Es stellt sich die Frage, ob sich dadurch auch die Art der Mobilität nachhaltig verändern und welchen Einfluss dies auf das Verhalten der Menschen im öffentlichen Raum haben wird.

Die Diskussion zum Thema partizipierte Öffentlichkeit der Verkehrswege vertieft die Fragestellungen und setzt Bezüge zu vergleichbaren Arbeiten.
Die Sonderveranstaltungen finden coronabedingt unter dem Garagenvordach statt.
Informationen zu Sonderveranstaltungen auf www.publicartmunich.de

Fragen von Christoph Keller an M + M zur Autobahnschleife A27 Vittorio Veneto

Keller: Im Zuge des Ausbaus der italienischen Autobahn A27 durch das Veneto haltet Ihr bei Autobahnkilometer 15+664,34 eine zusätzliche Fahrbahn in 360° - Schleifenform mit Anbindung an die bestehende Autobahn für sinnvoll. Die geplante Schleife zum Ab- und Rückführen des Verkehrs beschreibt einen Vollkreis von 360° bzw. 400 gon, mit einem Außenradius von 175 Metern. Grundlage für die weiterführende Planung ist der Entwurf vom 24. Oktober 1996, der ein trassiertes Brückenbauwerk mit ausgewogenen Proportionen zwischen Stützweite, Bauhöhe und Tiefe des Tales sowie zwischen stützenden und unterstützenden Bauteilen vorsieht, das sich zugleich wirtschaftlich herstellen und erhalten lässt.

Kostet so etwas nicht sehr viel Geld?

M + M: Ja.

Keller: Während der Planungsphase wurde auf das Projekt bereits von vielen verschiedenen Seiten reagiert. Bundesinnenminister a.D. Gerhard Baum hat sich als vehementer Befürworter der Schleife gezeigt, während Fraktionen der italienischen Umweltschutzverbände bei verschiedenen Gelegenheiten Misstrauen gegenüber der Zweckmäßigkeit eines solchen Vorhabens geäußert haben. Der Bürgermeister der zuständigen Kommune Vittorio Veneto hat Euch mehrmals zur Audienz geladen und zieht auf einem gegenüberliegenden Berg den Bau einer Aussichts- Terrasse zur 'Curva d'amore' in Erwägung, auf der sich in Zukunft heiratswillige Paare vor der Kulisse im Kreis fahrender Kraftfahrzeuge fotografieren lassen können. Der Verband italienischer Raststättenbetreiber denkt derzeit über einen zusätzlichen Rasthof in unmittelbarer Nachbarschaft der Schleife nach.

Habt Ihr das Gefühl, dass die Leute auf dem Weg in den sonnigen Süden wirklich einmal im Kreis herumfahren wollen?

M + M: Ja.

Keller: Nun läuft ja seit einigen Monaten die öffentliche Ausschreibung des Bauvorhabens. Ein Team von Statikern der TU München hat die entsprechenden Berechnungen angestellt, die durchaus als kompliziert eingestuft werden müssen, da der vorgesehene Bauabschnitt der A27 als Terrasse auf Säulen quer durch ein weitläufiges Tal geführt wird. Daraufhin wurden vom Münchner Ingenieurbüro Binser im letzten Jahr die Grundlagen und Eckdaten für die Baudurchführung festgelegt, die momentan von acht europäischen Hoch- und Tiefbaufirmen kalkuliert werden. Auch haben verschiedene potentielle Sponsoren Interesse an einer Mitfinanzierung des Projektes durch umfangreiche Zuschussmaßnahmen signalisiert, u.a. die Europäische Union (EU), das Touristikbüro des Veneto (OTV), der Bund italienischer Autofahrer (FMI), der italienische Staat, ein großer amerikanischer Mineralölkonzern, der als anonymer Spender auftreten möchte, und verschiedene europäische Kultureinrichtungen, die hier nicht genannt werden können. Für ein künstlerisches Projekt erscheint die Planungsphase als überproportional aufwendig und ohne die entsprechenden Kontakte und Verbindungen nicht zu leisten.

Habt Ihr sehr viel Arbeit in dieses Unternehmen investiert?

M + M: Ja, natürlich.

Keller: Die visuellen Simulationen des geplanten Loops (u.a. CAD-Animationen, Foto-Collagen) suggerieren bei vielen Betrachtern eine recht präzise Vorstellung der physischen Wirkung auf den Autofahrer: Hinweisschild, Blinker setzen, Ausscheren auf die Ausfahrtspur, der Wagen legt sich ganz behutsam in die 360°-Kurve, die exakt der Steilkurve des Weissacher Testgeländes der Firma Porsche AG nachempfunden zu sein scheint, man wird mit sanftem Druck in den Fahrzeugsitz gepresst, beschleunigt am Kurvenausgang und fädelt sich ordnungsgemäß in den laufenden Verkehr der Ignoranten und Genuss-Muffel ein. Das ganze kostet natürlich Zeit – genau genommen ca. 26 Sekunden im Vergleich mit einem Fahrzeug, das konstant mit 110 Stundenkilometern auf der regulären Autobahnspur bleibt.

Fahrt Ihr gerne Auto?

M + M: Ja